Rose Pro SL – Test eines Klassikers

Klassisch, Alurahmen plus Felgenbremse
Ein Klassiker mit Alurahmen und Felgenbremse. Genügt das auch höheren Ansprüchen?

Nachdem im letzten Jahr das Tainingsrad mit Rahmenbruch nicht mehr zu reparieren war, war klar – es wird Ersatz benötigt.

Ziel: ein bezahlbares, robustes, einigermaßen modernes, nicht allzu schweres Trainingsrad. Also keine super-duper High-End-Maschine für den Schaukasten, sondern ein Rad für den sportlichen, entspannteren Alltag, bei dem ich nicht gleich bei jedem Kratzer in tiefere Depressionen verfalle.   

Nach einiger Suche fiel meine Wahl auf das Model Pro SL von Rose. Bei meinen 184,5cm Größe in der Ausstattung 57“ Alu-Rahmen mit, Achtung, Felgenbremse und, der entspannteren Haltung geschuldet, Endurance -Geometrie. Klassisch, fasst schon Retro.

Mittlerweile bin ich jetzt seit Februar runde 800 km auf dem neuen Gefährt unterwegs gewesen. Eine persönliche Rezension.

Warum Aluminium?

  • Robust und langlebig, d.h. nicht jeder Sturz (hoffentlich keinen in dieser Saison), ein Umfallen, ein nicht sachgemäßes Anlehnen an einen Laternenpfahl …. führt zu einem fatalen Schaden
  • Günstiger
  • Gute Alu-Rahmen kommen schlechteren Carbon Rahmen hinsichtlich Steifigkeit in nichts nach

Warum Felgenbremse:

  • Leicht vom Gewicht
  • Sehr einfach zu warten
  • Auch wieder günstiger gegenüber Scheibenbremsen
  • Das Image generell mir wurscht ist
  • Aber wohl wissend, dass das Bremsverhalten, z.B. bei Nässe, sehr hohen Geschwindigkeiten oder längeren Abfahrten, im Vergleich zur Scheibenbremse „anders“ ist (performt etwas schlechter) – darauf ist man aber vorbereitet!  
  1. Überraschung nach Auspacken und schnell durchgeführter Montage:

Es sieht edel aus. Insgesamt eine hervorragende, tadellose Optik. Sieht man von den Schweißnähten im Kurbelbereich ab, erkennt man keinen großen Unterschied zu einem Carbon Rahmen. Im Kurbelbereich erkennt man dagegen eindeutig den Alucharakter.

Selbst für jemanden der seine Körpermaße gut kennt (wie gesagt 184,5cm Größe, BMI und Beinlänge verrate ich nicht) und relativ viel Erfahrung mit Rädern besitzt, ist die Frage der richtigen Geometrie des Rads, für die perfekte Sitzhaltung, also die Größe des Rads von einem Versender korrekt auszuwählen und dann auch gut darauf zu sitzen, risikobehaftet. Man ist das Rad ja nicht vorher Probe gefahren, möchte aber trotzdem nicht wie ein „Affe auf dem Schleifstein“ draufhocken. Eingerichtet hatte ich mich folglich darauf, dass ich mit verschiedenen Vorbaulängen und Spacer am Lenkrad hantieren müsste, bis es passt.

  • Überraschung nach einigen, kleineren Ausfahrten:

Bis auf die Sattelhöhe (logo) muss ich nichts! hinsichtlich Geometrie und Sattel verändern. Die Sitzhaltung halte ich meinen Ansprüchen gemäß für nahezu optimal.  Die Stack to Reach Ratio (mm) von 1,49 sagt es eigentlich aus. Die Haltung ist kommod mit einer definitiven Tendenz zum Sportlichen. Man (ich also) sitzt nicht wie auf dem Hochrad, mit dem vollen Genuss des Windes vom Scheitel bis zur Sohle ausgesetzt, sondern kann in Oberlenkerhaltung gut und bequem pedalieren, in Unterlenkerhaltung durchaus schon sehr sportlich und windschnittig fahren. Es ist mit Sicherheit, glasklar, keine Wettkampfmaschine, aber die geradezu sportliche Geometrie hat mich dann doch überrascht. Selbst der Sattel passt ohne Probleme. Gerade hier kann ich, besonders Gelegenheitsfahrern, nur empfehlen bei Problemen „mit dem Sitz“ sich im Fachhandel gut beraten zu lassen. Es macht null Spaß, selbst auf einer Topmaschine, auf dem nicht passenden Sattel zu hocken – und genau hier gibt es extrem viele individuelle Unterschiede. Es kann durchaus sein, dass ein billiger Sattel dem Spitzenmodell vorzuziehen ist, sofern man nicht auf jedes Gramm Gewicht an dieser Stelle achten möchte. Die „Systemergonomie“ (also Poppo zum Sattel) entscheidet hier über Qual oder Komfort bei Ausfahrten.

Selbst das Lenkerband, eigentlich eine Nebensächlichkeit – und ich kenne auch die Witze, wer schuld an schlechter Perfomance ist bei Ausfahrten – ist am Rad super verarbeitet und greift sich gut.

Also: Sitzhaltung und Komfort, für meine Ansprüche an Sportlichkeit und Komfort, nahezu ideal.    

Gehe ich mit der Lobhudelei weiter komme ich zu Brems- und Schaltzügen. Die sind nämlich innen verlegt. Für ein Rad in dieser Preisklasse eher eine Ausnahme. Macht die Wartung eventuell etwas problematischer, sieht aber edel aus (und bei 150km/h ist das auch wattsparend). Dazu eine in den Rahmen integrierte Sattelstützenklemme, einfach elegant.

Beim Fahren selber fällt auf, dass das Rad sehr steif wirkt. Die Verwindungssteifigkeit ist durch die dreifache Konifizierung der Rohre für ein Alumodell sehr hoch. Das Beschleunigungsverhalten ist dadurch entsprechend gut. Die Gabel aus Carbon vorne federt Unebenheiten sauber weg. Hinten wirkt das Rad aber für meine Begriffe dagegen tatsächlich recht hart. Es ist jetzt nicht so, dass einem die Plomben aus den Zähnen rauschen, wenn man über ein Rumpelfeld ackert, aber eine Sänfte ist das Rad sicher nicht. Erstes Tuningpotential wäre also die Sattelstütze aus Alu gegen eine aus Carbon bei Gelegenheit zu tauschen, das sollte einiges an Comfort bringen.

Oder aber man tauscht die gelieferten Reifen (Continental Ultra Sport III Performance, schwarz 700x25C) in breitere Modelle (z.B.28er). Bei einer meiner ersten Touren hatte ich gleich das Glück mir hinten einen Platten (lag an mir) einzufangen und hatte deshalb das große Vergnügen den Drahtreifen abzunehmen (das ging) und wieder mit neuem Schlauch montieren zu dürfen. Ehrlich, das hat keinen Spaß gemacht. Das verflixte Drahtdingens wieder auf das Laufrad draufzukriegen war, sag ich es mal höflich, schwierig. Hat mich aber trotzdem garantiert 20 Minuten, wenn nicht mehr, gekostet als nötig. Inclusive einem abgebrochenen Reifenheber (war wahrscheinlich vorher schon morsch), Schwielen an den dann komplett schwarz versauten Händen, Schweißperlen auf der Stirn, Frösteln am Rücken, Ausreizen meines schwäbischen Fluchjargons – und garantiert zur Belustigung aller Beobachter meiner Vorstellung. Wenigstens hatte ich die Laufradrichtung korrekt beachtet und auch den neuen Schlauch beim Reinhebeln nicht geschrottet, die Befürchtung hatte ich schon. Also Tuningpotential 2, tausch der Drahtdingenser gegen nicht so störrische und bockige, pannensicherere Modelle.  

Ansonsten spricht der Aufbau des Rads für sich. Shimano mechanische 105er Gruppe, Komponenten von Ritchey, dazu gute, robuste Laufräder von DT Swiss – super duppy.

Mein persönliches Gesamtfazit (jetzt nach 800km):

Positiv:

  • Selten gutes Preis-Leistungsverhältnis
  • Sehr gut aufgebautes und bestücktes Rennrad, chic         
  • Kommode, tendenziell sportliche Geometrie und Sitzhaltung
  • Fährt sich sehr direkt, sportlich und schnell (durch geringes Gewicht, hohe Steifigkeit)
  • Bremsverhalten unter trockenen Bedingungen top. Bei Nässe, extrem schnellen, z.B. alpinen Abfahrten, oder den Versuchen vor Kurven die entscheidenden Sekunden zum Sieg der Straßen-WM einzufahren haben sie (kleingeschrieben, also die Bremsen) ev. leichte Nachteile gegenüber Scheibenbremsen  
  • Übersetzung 50/34 vorne und 11-34 Kassette bietet extrem weites Spektrum. Lange, steilere Bergfahrten (hoch!) sind gut machbar (natürlich je nach Fitnessgrad unterschiedlich, Übersetzung aber freizeittauglich)
  • Max. Reifenbreite bis 32mm. Mit 32mm können auch Schotterwege und leichtere, nicht asphaltierte Wirtschafts- oder Waldwege bedenkenlos gefahren werden. Ein Gravelrad oder gar Crosser wird das Bike aber wg. der eigenen Charakteristik (Steifigkeit, Geometrie, Aufbauten, Schaltung……) auf keinen Fall. Mit diesem Gedanken braucht man m.M.n. gar nicht erst spielen.

Nicht ganz so toll:

  • Gefühlte Härte hinten
  • Reifenwahl (persönlich fände ich montierte, breitere Faltreifen besser)

Was noch:

  • deutlich vernehmbarer Freilauf. Hat den Vorteil, dass man zur Warnung häufig niemanden „anbimmeln“ muß, ist aber gewöhnungsbedürftig

Deshalb meine Empfehlung bzw. Veränderungen am Rad (generell und Tuning)

  1. breitere Reifen
  2. Sattelstütze aus Carbon
  3. Tacho (gehört so oder so ans Rennrad)
  4. Beleuchtung (neben der Legalität völlig uncool ohne zu fahren, ich habe sogar zwei Rückleuchten montiert, bzw. dabei – von hinten über den Haufen gefahren zu werden ist unschön)
  5. Keine Satteltasche für das Werkzeug, sondern eine Toolbox im Flaschenhalter. Clean Look geschuldet. In den zweiten Flaschenhalter kommt dann die Wasserflasche (bei längeren Ausfahrten)
  6. Bimmel (trotz des lauteren Freilaufs)

Was fehlt komplett: meine Kondition vom letzten Jahr (noch!)

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Eine Antwort

  1. sportler38 sagt:

    Ja, schade, dass Felgenbremsen so verdrängt worden sind. Selbst für ambitioniertere Radler haben sie immer noch viele Vorteile. Gewicht, Kosten, einfach zu warten. Man muss nicht jede Mode mitmachen, einen Markt für die Felgenbremse gäbe es immer.

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